
Und was ist mit den Experimenten?
Es gab tatsächlich ernsthafte Versuche, das zu messen. Schon 1908 ließ der Physiker Ottokar Tumlirz in Wien Wasser in einem perfekt runden Tank stundenlang ruhen und öffnete dann ganz vorsichtig einen Abfluss. Und ja, unter extrem kontrollierten Bedingungen konnte er einen minimalen Einfluss der Corioliskraft nachweisen.
Später, in den 1960er-Jahren, haben Forscher das Ganze noch sauberer gemacht: große Tanks, absolut ruhiges Wasser, akkurate Ausrichtung. Erst nach vielen Minuten und viel Geduld zeigte sich ein feiner Strudel in der erwarteten Richtung.
Und in unserem Alltag?
Ein Hauch von Bewegung – etwa durch das Einlaufen des Wassers oder eine minimale Unebenheit – und der winzige Effekt der Corioliskraft ist sofort Geschichte.
Dreht sich das Wasser im Abfluss je nach Erdhalbkugel anders?
Sie haben sicher schon einmal davon gehört: Auf der Nordhalbkugel sollen
Abflusswirbel andersherum drehen als auf der Südhalbkugel. Klingt irgendwie
glaubhaft - aber ist es wirklich wahr?
Kurze Antwort: Jein. Lange Antwort: Willkommen bei einem der charmantesten
Natur-Mythen überhaupt.
Die Sache mit der Corioliskraft
Halten wir fest: die Erde dreht sich und tatsächlich sorgt diese Drehung
für eine kleine Ablenkung bei allem, was sich bewegt – die sogenannte
Corioliskraft. Sie ist der Grund, warum Stürme auf der Nordhalbkugel gegen den
Uhrzeigersinn wirbeln und auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn. Klingt erstmal
so überzeugend, als ob wir das auch in unserm Abfluss beobachten könnten.
Aber bevor Sie jetzt versuchen, beim nächsten Bad genau hinzuschauen: In
einer Badewanne oder einem Waschbecken ist die Corioliskraft praktisch
bedeutungslos. Die Effekte sind winzig, so winzig, dass schon ein minimal
schiefer Wasserstrahl, eine klitzekleine Unebenheit im Becken oder ein Luftzug
das Wasser viel stärker beeinflussen als die Erdrotation.
Warum halten sich dann solche Mythen?
Weil sie einfach gut ins Bild passen. Besonders die Vorstellung, dass sich
Wasserwirbel je nach Erdhalbkugel anders drehen, wirkt so einleuchtend, dass
sie kaum hinterfragt wird.
In vielen Regionen rund um den Äquator werden dazu
beeindruckende Experimente gezeigt: Mal dreht sich das Wasser links, mal rechts
– je nachdem, auf welcher Seite man steht.
Idee und Optik faszinieren, beruhen
aber oft auf kleinen Tricks wie einem gezielten Schwung oder einem leicht
schiefen Becken.
Und je öfter versucht wird, diese Vorstellung zu widerlegen, desto stärker
bleibt sie im Kopf – fast schon ein kleiner Streisand-Effekt. Kein Wunder also,
dass sich der Mythos bis heute so hartnäckig hält.
Fazit: Glauben Sie lieber nicht alles, was Sie sehen
So
naheliegend die Idee erscheint – dass die Erdrotation im Alltag Einfluss die
Drehrichtung im Abfluss hat – so falsch ist sie leider auch.
Bei uns zu Hause bestimmen
Hahn, Handbewegung und Beckenform, in welche Richtung das Wasser läuft -nicht
die Erdrotation.